Journal Frankfurt Online, 9. September 2010                                      online

Kultureller Aufbruch in Bockenheim

Leerstand auf dem Bockenheimer Uni-Gelände. Die Zukunft vieler Gebäude ist weiterhin ungewiss. Eine heterogene Gruppe aus Bürgerinitiativen, Studenten, Denkmalschützer und Künstlern setzt sich nun gemeinsam für den Erhalt der Kramerbauten am Uni-Campus ein. Hier sollen günstige Wohnungen und Arbeitsräume für Künstler entstehen.

Das große Gebäude ragt mit blinden Fenstern wie ein gläsernes Mahnmal aus dem Campus-Gelände. Kein Leben regt sich im Inneren. Bretter sind vor die Eingänge im Erdgeschoss genagelt. “Skandalös” findet Angelika Wahl den Umgang mit dem Philosophikum am Campus Bockenheim. Wahl wohnt in der Nachbarschaft und beobachtet seit einiger Zeit den Verfall des verwaisten Büroblocks. Mit ihrer Bürgerinitiative “Ratschlag Campus Bockenheim” setzt sie sich für den Erhalt dieser und der anderer Kramer-Bauten auf dem Uni-Gelände ein. Und sie hat zahlreiche Unterstützer: Wie etwa den Frankfurter Ortskurator Christian Rusch. “Der Erhalt der Gebäude ist eine Frage der jüngeren Geschichte”, so Rausch. Die “demokratische Architektur”, der in den 50er-Jahren entworfenen Gebäude, sei Ausdruck “der Überwindung der Nazi-Zeit”. Aber auch aus Gründen der Ökologie sei er gegen einen Abriss und für eine sinnvolle Nachnutzung. Die Frankfurter Studenten in Vertretung durch die Asta machen sich ebenfalls für einen Erhalt stark. “Das Studierendhaus ist ein Stück Freiraum, der bestehen bleiben soll”, sagt Asta-Vorsitzender Jonas Erkel. Deshalb beteiligt sich der Asta auch an dem “Tag des offenen Denkmals”, am Sonntag, 12. September, auf dem Uni-Campus. Mit einem Mix aus Vorträgen, Konzerten und Tanzperformances im Studierendhaus sollen dort alternative Möglichkeiten der Gebäudenutzung aufgezeigt werden. So etwa das Konzept des Künstlers Wolfgang Dreyssel – darin wird vorgeschlagen im leerstehenden Philosophikum günstige Wohnungen entstehen zu lassen, das Studierendhaus soll zu einem “Haus der Kulturen” werden. Mit Arbeits- und Übungsräume für Künstler. Tim Schuster, Mitglied der Perfomance-Gruppe “Artychock” und Doktorand für Theaterwissenschaften, unterstützt diese Ideen und drängt zur Eile: “Wir können nicht auf den Kulturcampus in fünf bis zehn Jahren warten. Hier stehen viele Räume leer und wir brauchen Räume – und zwar jetzt”. Die Tänzerin und Choreografin Yasna Schindler unterstützt ebenfalls die Vision einer Nachnutzung und träumt von Probräumen für die freie Szene und junge Talente: “Viele Tänzer finden nach Ende der Ausbildung nicht sofort ein Engagement. Aus Mangel an günstigen Proberäumen konnte die Tanzszene hier in Frankfurt nur schwer Fuß fassen.” Schindler sieht daher die geplante Ansiedlung des Frankfurt LAB und des Ensemble Moderne auf dem Gelände als problematisch an. In Erinnerung ist ihr die vergangene Entwicklung im Bockenheimer Depot: “Dort kann man sich die Mieten heute nicht mehr leisten”.

Quelle: http://www.journal-frankfurt.de/?src=journal_news_einzel&rubrik=5&id=9963

PRINZ 09/2010                                                                                 Print & online

Bühne

ALIVE

Alive, Tanzzstück Yasna Schindler

Die Choreografin Yasna Schindler verblüfft mit Performances an außergewöhnlichen Orten – jetzt hat ihr Stück “Alive” Premiere.

Für ihre Kunst nimmt sich Yasna Schindler den Raum, den sie braucht. Performances der aus Chile stammenden Choreografin fanden schon im Brunnen vor der Alten Oper, in Museen wie dem Städel und dem MAK oder auf dem Holbeinsteg statt. Jetzt zeigt sie ihr neues Stück “Alive” im Festsaal auf dem Campus Bockenheim – und auch hier geht es um die Eroberung eines Raums: ID_Frankfurt, eine Initiative von freien Tanzkünstlern, kämpft dafür, dass dort nach dem Wegzug der Uni ein “Kultur Campus” entstehen kann. Mit “Alive”, das Yasna Schindler mit den Tänzerinnen Nina Vallon und Kristina Veit erarbeitet hat, stellt sie uns elementare Fragen: Was macht unser Leben aus? Was hält uns lebendig?

Alexander Jürgs

Quelle: http://frankfurt.prinz.de/veranstaltungen/alive-buehne-kultur,918695,1,EventSchedule.html

Journal Frankfurt, 17/10, 16.9. – 30.9.2010                           Print & online

Tanztheater

Alive

Seit zehn Jahren erforscht Yasna Schindler Räume und ihre Bewegungsqualitäten Sonne fließt durch die hohen Fenster in den Festsaal des Studierendenhauses. “Ein toller Raum”, freut sich Yasna Schindler, “wie ein Geburtstagsgeschenk.” Denn die Choreografin feiert tatsächlich eine Art Geburtstag: Seit zehn Jahren gibt es ihr “Performance Research Project” nun, eine Reihe von Site-Specific¬-Arbeiten, die das Verhältnis des Performers zum Raum sowie zum Publikum erkunden. “Ich war neugierig zu beobachten, wie der Körper sich zu verschiedenen Orten verhält und wie sich diese Orte durch den Körper verändern, wenn dieser sich auf eine nicht alltägliche Weise bewegt”, so Schindler. Sie bespielte so heterogene Räume wie den Holbeinsteg, die Zeil und das Museum für Angewandte Kunst, dessen Fensterfronten und Innenräume ihre Tänzer bei “Rotgang” zu beweglichen Schauflächen machten. Gerade probt sie im Studierendenhaus auf dem Campus Bockenheim ihr neues Stück “Alive” in Fortführung von “Rotgang”. Seit über einem Jahr setzt sie sich dafür ein, dass nach dem Wegzug der Uni das Studierendenhaus als Veranstaltungsort erhalten bleibt, vor allem für den freien Tanz. Häufig arbeitet Schindler mit Improvisation und Imagination, sie schickt ihr Tänzerinnen in Vorstellungswelten, die diese wiederum in Bewegungen verwandeln. In “Alive” nimmt sie die Farben Rot und Weiß zum Ausgangspunkt ihrer Recherche – und aus dieser Reduktion auf zwei Farben entwickelt sich viel. Da die Premiere am 18. September, dem chilenischen Unabhängigkeitstag ist, spielen auch Überlegungen zu Gerechtigkeit, Krieg und Feindschaft hinein. Schindler selbst ist im Alter von zwei Jahren nach Deutschland gekommen, als ihre Eltern wegen der Militärdiktatur als Chile emigrierten. Sie wuchs in Frankfurt auf, studierte am Arnheimer European Dance Development Centre und begann 2000 ihre choreografische Arbeit. Eng kollaboriert sie mit anderen Künstlern wie dem Maler Wolfgang Rang, dessen rot-weiße Bildmotive sie auf Stoff drucken und daraus Kleider schneidern ließ. Oder mit dem Cellisten Frank Wolff, der die Bewegungen der Tänzerinnen Kristina Veit und Nina Vallon aufgreift und dazu mprovisiert. Nach der Probe befindet er: “Es hat sich aber viel verändert!” Und das wird bis zum Schluss so bleiben, denn Schindler mag es, Dinge offen zu lassen und den Tänzerinnen Spielräume zu geben.

Tänzerische Auseinandersetzung mit Orten, Farben und Konfliktzonen.

Esther Boldt

Quelle: http://www.journal-frankfurt.de/?src=kalender_event_einzel&id=33986814&was=400&ubersicht=

src%3Dkalender%26stichwort%3Dalive

Universität Frankfurt

Ungenutztes Juwel

Das Studentenhaus auf dem alten Campus hat vieles gesehen: die Anfänge von Joschka und Danny, legendäre Partys, noch legendäre revolutionäre Streikgruppen… Und jetzt, in den Semesterferien, nutzen Tänzer den Festsaal. Am heutigen 17. September ist Premiere.

Tanzprobe Jügelstraße 1
Foto: FR/Boeckheler

Tanzprobe Jügelstraße 1

Tanzprobe Jügelstraße 1
Foto: FR/Boeckheler

Nina und Kristina verwandeln Worte in Bilder. Gedichte werden zu Bewegungen. Versen von Pablo Neruda und von Charles Baudelaire geben sie Hände und Füße, Beine, Arme und ein Gesicht. Ihr Rhythmus ist sanft und fließend, dann abrupt und aggressiv. Sie ringen miteinander wie Kämpferinnen, umwerben sich wie Liebende, ihre Körper verflochten wie zwei Hälften eines Ganzen. Lautlos bewegen sich die Tänzerinnen durch den Raum, angetrieben on den mal klagend melancholischen, mal fröhlichen Klängen der Musik. Frank Wolff sitzt am Rand der Tanzfläche. Er schlägt, streichelt, zupft die Saiten seines Cellos. Rafael Sotomajor hat die Klangschalen seines Percussion-Instrumentes auf dem Boden versammelt.

Seit zwei Monaten arbeitet das Ensemble sechs Tage die Woche, acht Stunden am Tag. Am heutigen Freitag ist Premiere im Studierendenhaus auf dem Campus Bockenheim der Goethe-Uni. Yasna Schindler ist die Choreografin von „Alive“. Zufrieden verfolgt sie die Probe. Die Chilenin, die in Frankfurt aufgewachsen ist, hat das Tanzstück zum 200. Jahrestag der chilenischen Unabhängigkeit entworfen. Sie verbindet Musik, Tanz und Gedichte. Bei der Aufführung werden Nina Vallon und Kristina Veit rot-weiße Seidenroben tragen. Kunstwerke von Wolfgang Rang, aber eben auch die chilenischen Nationalfarben; Farben, die Blut, aber auch Liebe symbolisieren. Schindler ist aufgeregt vor der Premiere. „Aber ich habe ein gutes Gefühl. Es gibt viele berührende Momente“, sagt sie.

Sanft fällt das Licht durch die hohen Fenster des Festsaales. Die Zuschauer werden um den Tanzboden herum sitzen. „Der Raum ist perfekt“, schwärmt die 31-Jährige. Während des Semesters nutzt der Asta den Saal für Konzerte, Filme und Partys. In der vorlesungsfreien Zeit überlässt die Studierendenvertretung den Ort Tänzern und Künstlern der freien Szene. Die suchen in der Stadt seit langem Aufführungs- und Probenräume, lobt Schindler die Bereitschaft des Asta.

Die Szene soll sichtbar werden

In der Gruppe „ID_Frankfurt / Independent Dance“ haben sich 50 Dramaturgen, Choreografen, Profi-Tänzer, Absolventen der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, zusammengeschlossen. Dazu zählen auch Nina Vallon und Kristina Veit. „Die freie Szene ist groß. Es gibt nicht so viele Engagements in festen Häusern“, sagt Veit. „Wir haben in Frankfurt studiert, würden gerne in der Stadt bleiben“, so Vallon.

Was fehlt, ist ein Haus für die freie Szene. Nach dem Umzug der Goethe-Uni ganz auf den Campus Westend wäre das Studierendenhaus genau richtig, sagt sie. Zumindest als Zwischenlösung bis 2018, bis vielleicht die Hochschule für Musik auf das Bockenheimer Areal umsiedelt. „Der Festsaal ist ein Diamant, der viel zu wenig funkelt“, glaubt Vallon.

Funkeln wird er beim 2. Tanzpanorama, das „Independent Dance“ im Oktober im Studierendenhaus ausrichtet. Vier Abende lang werden 30 Tänzer und Choreografen sich vorstellen. Ein Kurztanz-Festival mit bis zu fünf Produktionen am Abend: „Die freie Szene will sichtbar werden“, sagt Schindler, die auch dabei ist. Die Künstler suchen den Austausch mit dem Publikum, wollen ihre Arbeit öffentlich machen. 2009 kam das Festival gut an. Die 100 Sitzplätze waren stets ausgebucht. Deshalb nun die Neuauflage, sagt Veit. Und auch, um vielleicht Unterstützer für die Idee zu gewinnen, aus dem Studierenden- ein Tanzhaus zu machen.

Programm

Der Festsaal des Studierendenhauses auf dem Campus Bockenheim der Goethe-Universität ist im September und Oktober Schauplatz zahlreicher Tanzveranstaltungen. Der Asta überlässt Künstlern, Profitänzern und

ehemaligen Studenten der Goethe-Uni und der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst während der Semesterferien den Saal für Proben und Aufführungen.

Das Tanzstück „Alive“ von Yasna Schindler hat dort am heutigen Freitag Premiere. Eine weitere Aufführung ist am 19. September, 20 Uhr, vorgesehen. Anschließend Publikumsgespräch. Karten für Samstag gibt es an der Abendkasse, unter karten_ alive@web.de und 0176-23292889. Weitere Termine im Dezember im Gallustheater.

Das Festival „Tanzpanorama“ dauert vom 7. bis 10. Oktober. Rund 30 Tänzer von „Independent Dance“ zeigen Kurzchoreografien, Installationen und laden zu Publikumsgesprächen ein. Vier bis fünf Stücke stehen pro Abend auf dem Programm. Eröffnung ist am 7. Oktober, 20 Uhr. Bereits am 1. Oktober, 19 Uhr, stellen Künstler und Studenten unter „Works in Progress / Works in Words“ ihre kreativen Prozesse und Arbeitsansätze vor. Karten: Tickets@tanzpanorama.de, Infos: www.tanzpanorama.de

Astrid Ludwig

Quelle: http://www.fr-online.de/frankfurt/ungenutztes-juwel/-/1472798/4651368/-/index.html